Die rustikale Analoguhr an der Wand, ein altes Schätzchen und oft genug als Schrulle für antiquierte Technik eines älteren Barkeepers gehalten, tickte laut in die Stille der Kneipe, während sich der große Zeiger langsam und unausweichlich der mit vergoldetem Plastik im Zifferblatt eingelassenen „12“ näherte, während sein kleinerer Nachbar sich, gleich eines Schattens, schon fast vollständig über die „4“ gelegt hatte. Hin und wieder wurde das Ticken der Uhr vom Geräusch des dumpfen Auftreffens eines Bierglases auf hölzernem Tresen unterbrochen. Ab und zu durchschlich den Raum ein Räuspern oder unterdrücktes Husten. Denn wie die Uhr, war der Barkeeper samt anwesender Stammkundschaft bereits ein wenig in die Jahre gekommen. Das Bier wurde lautlos und mit einem leichten Nicken bestellt, ebenso lautlos gezapft und mit schon fast beängstigender Präzision direkt in die Hand des Bestellers übergeben. Die schweren Rauchschwaden im Raum, die sich wie ein Mantel sofort um jeden legten, der ihn betrat, erschwerten es der spärlichen Beleuchtung den Raum auf ein gesundes Maß an Helligkeit zu bringen. Das natürliche Licht, das durch die Bleiglasfenster in die Kneipe fiel, erhellte diese zumindest tagsüber so gut, dass man alles im Raum sehen konnte. Die Uhr weist nun eindeutig darauf hin, dass sie so weit ist, 4 Uhr anzuzeigen in dem sie ihren eingebauten Gong ebenso oft läuten lässt. Die Schrulle eines älteren Barkeepers also. Und kaum ertönt der vierte Gong, öffnet sich die Tür der Kneipe und ein großer Troll betritt die Szene. Es gleicht einem Trompetenspiel zum Appell der Truppen. Der große Metamensch mit blauer Haut, feuerrotem Haar und tiefschwarzen Augen mit roter Pupille sieht die Thekenbelegschaft an, welche sich scheinbar an die Präsenz eines so ungewöhnlichen Metas gewöhnt hat und nickt ebendieser Thekenbelegschaft ein wortloses „Moin“ zu. Den schweren Mantel aus Kunstleder mit Kevlarfutter zieht er viel behutsamer aus, als es sich für einen Troll seiner Größe gehört. Er bewegt sich auf den Kleiderständer zu und unter seinem Gewicht knarzt der Holzimitatfußboden. Die Rauchschwaden verwirbeln sich durch die Bewegungen des gehörnten Kneipengasts hinter seinem Rücken und gleichen dabei den Schallwellen von Getuschel über das auffällige Aussehen dieser Person, zumal er definitiv nicht in die Klientel dieses Etablissements passt. Nachdem er seinen Mantel an einem Kleiderhaken platziert hatte, der eines Trollmantels insofern angemessen war, dass dieser nicht auf dem Boden hing, ging er auf einen Barhocker zu, der bereits einen größeren Gesäßabdruck aufwies und setzte sich. Er legte eine Hand auf den Tresen um dem Barkeeper seine Bestellung zu signalisieren. Bereits kurze Zeit später hatte der Troll einen Krug Bier vor sich stehen, der in Anbetracht seiner Größe mit den Biergläsern seiner normalgroßen Mittrinker ebenbürtig war. Er griff in seine Anzugjacke, holte ein silbernes Metalletui aus der inneren Brusttasche hervor und holte eine große, daumendicke Zigarre aus dem Etui, schnippte die Kappe des Mundstücks mit einem Zigarrenschneider ab und fegte den abgeschnittenen Stumpf in einen nahestehenden Aschenbecher. Er griff erneut in seine Anzugjacke und nach kurzem Konflikt zwischen Handbreite und Taschengröße erschien ein silbernes Feuerzeug zwischen seinen gewaltigen, kräftigen Fingern. Er steckte sich die Zigarre in den Mund, zündete sie mit gelegentlichem Zug an und kurz darauf verschwand sein Gesicht beinahe vollkommen in dichtem schwerem Zigarrenrauch. Nur die roten Pupillen waren durch den Rauch noch leicht zu erkennen. Mit der ersten Exhalation des Zigarrendunsts, welcher dem verhältnismäßig dünnen und markanten Gesicht des Trolls entwich, verließ gleichzeitig ein erleichtertes Seufzen seinen Mund. Der Barkeeper wandte sich dem blauhäutigen Meta zu und fragte:“ Um wieviel –„ „So um halb fünf.“, unterbrach ihn der Meta direkt. „Okay, ich geh dann schonmal runter. Wie viele Stühle?“, entgegnete ihm der Barkeeper gelassen seriös. „Zwei“, sagte der Troll und sah den Barkeeper dabei an. „Hm. Dann kommt er also auch gleich.“, sagte der Barkeeper, bevor er sich die Hände mit einem feuchten Tuch von seiner Theke abwischte und durch eine Tür hinter dem Troll verschwand. „Jap. Er kommt auch…gleich.“, monologisierte der Troll während er leer auf den Tresen stierte und einen großen Schluck seines Bieres nahm, um danach eine weitere Ladung Zigarrenrauch in den Raum zu blasen. Die Uhr tickt und die Zeiger wandern weiter, als wären sie auf der Flucht. Auf der Flucht vor der Zeit selbst. Stumme Konversationen zwischen den Thekengeistern, welche nur durch ausgetauschte Blicke an Leben gewannen, während die Minuten dahin zogen. Und als die antike Uhr eine Zeit anzeigte, die definitiv noch nicht „halb fünf“ bezifferte, betrat eine weitere Person die Kneipe. Ein dünner Mann im Anzug, der sich ähnlich wie der Troll, ebenfalls einen Platz im Gedächtnis der Stammkundschaft der Kneipe erarbeitet zu haben schien. Er zupft seinen Anzug und seine Krawatte zurecht, streicht sich kurz durch seine Haare und fährt dabei mit der Hand über einen Teil der Tätowierung, die sein halbes Gesicht bedeckt. Er hat den Troll bereits beim Reinkommen bemerkt und mit seinen funkelnden Augen fixiert. Er geht langsam und von keiner Hast getrieben mit ernster Miene auf den Troll zu, welcher sich der tatsächlichen Anwesenheit der neuen Person im Raum noch zu verwehren scheint, fasst ihm auf die Schulter und sagt: „Digga…Du schuldest mir noch Geld.“